Ein besonderes Jubiläumsjahr
von Markus Schaaf
Standpunkt von Markus Schaaf für Tösstaler vom 07.07.2023
Vor 75 Jahren entstand der Flughafen Zürich. Mit einem grossen Flughafenfest soll am ersten Septemberwochenende dieses denkwürdige Jubiläum gefeiert werden. Unser Flughafen wird von 80 Airlines angeflogen und ab Kloten kann man in fast 200 Destinationen in 67 Ländern fliegen. Pro Tag werden 750 Starts und Landungen abgewickelt. Vor der Corona-Pandemie reisten im Jahr 30 Mio. Passagiere über Kloten und es wurden fast eine halbe Million Tonnen Fracht transportiert. Es sind wirklich beeindruckende Zahlen.
Aber nicht erst wegen seinem runden Geburtstag macht der Flughafen in diesem Jahr Schlagzeilen. Lange Wartezeiten bei der Sicherheitskontrolle, Parteispenden und die geplanten Verlängerungen der Pisten 28 und 32 haben Schlagzeilen gemacht.
Als Tösstaler Kantonsrat interessiert mich natürlich vor allem die Verlängerung der Piste 28. Die Flughafen AG hat schon sehr früh damit begonnen, mit aufwändigen Videos und Präsentationen aufzuzeigen, welche Vorteile durch die verlängerten Pisten entstehen würden: Weniger komplexe Situationen bei Starts und Landungen, mehr Sicherheit, kürzere Wartezeiten bei Starts und Landungen und damit zusätzlichen Kapazitäten – aus Sicht des Flughafens ein Gewinn auf der ganzen Linie.
Eine win-win Situation ist bei einem Geschäft stets der Idealfall. Diese-Strategie hat das Ziel, dass alle Beteiligten und Betroffenen einen Nutzen erzielen. Jeder Verhandlungspartner respektiert sein Gegenüber als gleichberechtigt und gemeinsam ringen sie um einen für alle Seiten positiven Interessenausgleich. Und genau hier ist der Punkt, an dem meine Kritik bei der geplanten Pistenverlängerungen ansetzt. Es entsteht eben keine win-win Situation, sondern eine win-win-loose Situation.
Die Gewinner sind klar: Der Flughafen gewinnt und die übrigen vom Fluglärm betroffenen Regionen gewinnen. Und wer sind die Looser bei der Pistenverlängerung? Es ist die Bevölkerung im Osten des Kantons, namentlich die Bevölkerung im Tösstal. Niemand ist gerne Verlierer, aber wenn dann die Gewinner versuchen, die Situation für die Verlierer auch noch schön zu reden, macht dies die Niederlage nur umso bitterer.
In der Sprache des Flughafens tönt dies dann etwa so: «Von der Pistenverlängerung profitieren alle. Es gibt weniger Verspätungen, es gibt mehr Sicherheit im Flugverkehr und die Bevölkerung wird mehrheitlich vom Fluglärm entlastet.»
Als ich mich dann scheu getraute nachzufragen, was die Auswirkungen der Pistenverlängerung für die Bevölkerung im Osten des Kantons bedeutet bekam zur Antwort: «Es stimmt, für diese Menschen nimmt der Fluglärm zu. Aber eigentlich bekommen sie nur das Mass an zusätzlichen Fluglärm, welches ihnen schon immer zugestanden wäre. Also alles gar nicht so schlimm.»
Spätestens bei Sätzen mit die «eigentlich» eingeleitet werden, sollte auch der gutgläubigste Mensch misstrauisch werden.
§ «Eigentlich gibt es für die Bevölkerung im Osten das Mass an Fluglärm, dass sie sowieso ertragen müssten».
§ «Eigentlich soll nur die Sicherheit des Flugbetriebs verbessert werden,…» auch wenn heute schon ein unsicherer Flugbetrieb von den Behörden gar nicht zugelassen wird.
§ «Eigentlich liegen wir heute noch weit unter der maximal zulässigen Flugbewegungen, selbst wenn es einmal eine Kapazitätssteigerung geben wird.»
Ich bin zwar erst im Alter von sechs Jahren ins Tösstal gezogen, aber ich lebe schon seit mehr als 40 Jahren hier und glaube, dass ich die Menschen hier doch recht gut kenne. Wir Tösstaler sind keine Menschen, die sich an der Strasse festkleben und wir werfen keine Steine auf Schaufenster, wenn wir eine andere Meinung haben.
Viele von uns – ich zähle mich auch zu ihnen – sind dankbar für den Flughafen Zürich und auch stolz auf ihn. Er hat wesentlich zum Wohlstand in unserem Kanton beigetragen. Es gibt viele Tösstaler, die gerne mit dem Flieger in die Ferien reisen, einige von uns nutzen das Flugzeug für Geschäftsreisen. Und die wenigen Hotels und Gästehäuser in unserer Region freuen sich auch über ausländische Gäste, die mit dem Flugzeug anreisen. Die Haltung im Tösstal ist also alles andere als flughafenkritisch oder gar flughafenfeindlich, eigentlich… Aber was die Tösstaler gar nicht gut können: Wir sind nicht gerne die Verlierer! Ganz egal, wie toll und ausgeklügelt ein Deal auch sein mag. Wir sind nicht gerne die Verlierer – und genau das werden wir sein, wenn die Piste 28 verlängert wird. Es wird deutlich mehr Flugbewegungen über unserem Gebiet geben.
Leider haben es die Verantwortlichen dieses Projekts verpasst, die Bevölkerung im Osten des Kantons ins Boot zu holen. Es wurde verpasst, dafür zu sorgen, dass mit griffigen Massnahmen eine spürbare Kompensation geschaffen wird. Ein klares Bekenntnis, dass auf einen weiteren Kapazitätsausbau verzichtet wird, wäre zum Beispiel ein Anfang gewesen. Es braucht auf jeden Fall weit mehr, als nur Beschwichtigungen und billige Vertröstungen um bei der Bevölkerung im Osten wieder Vertrauen zu schaffen. Und jetzt bleibt uns nur das schale Gefühl, dass mit der geplanten Pistenverlängerung für uns eine win-loose Situation entsteht.
Die erste Debatte zur Pistenverlängerung ist im Kantonsrat zu einer epischen Diskussion ausgeartet. Die Sitzung musste deshalb aus zeitlichen Gründen unterbrochen werden. Sie wird am 28. August weitergeführt. Danach wird der Kantonsrat einen Beschluss fassen, ob er dem Antrag für die geplanten Pistenverlängerungen zustimmen wird oder nicht. Weil von Seiten des Flughafens weder ein Bekenntnis zur Begrenzung der heutigen Kapazitäten noch spürbare Kompensationen für die betroffene Bevölkerung geplant sind, werde ich mit Überzeugung GEGEN eine Pistenverlängerung stimmen.
Doch ganz egal wie der Kantonsrat entscheidet, die Befürworter auch die Gegner des Projekts haben bereits angekündigt, dass sie das Referendum gegen den Entscheid ergreifen werden. Das letzte Wort haben deshalb auch in dieser Sache die Stimmberechtigten. Sie werden wohl im Jahr 2024 darüber an der Urne abstimmen.