Mutmacher statt Besserwisser und Schwarzmaler

von Markus Schaaf

Standpunkt Tössthaler vom 01. Oktober 2021 von Markus Schaaf

Schwarzmaler und Besserwisser haben in diesen Tagen Hochkonjunktur. Eine düstere Pandemie-Prognose jagt die andere. Kaum gibt es einen Silberstreifen am Horizont über die Impferfolge, zerstört eine Meldung über eine neue Virusmutation die aufkeimende Hoffnung wieder. Zu jeder Analyse eines Experten erfolgt umgehend die Prognose eines andern Experten, der genau das Gegenteil behauptet. Und keine zwei Minuten später melden sich bereits die ersten Politikerinnen und Politiker, die umgehend Massnahmen fordern – mehr Regeln, weniger Regeln, mehr Schutzmassnahmen, weniger Schutzmassnahmen – und alle behaupten, wenn nicht sofort nach ihren Wünschen gehandelt werde, würde alles noch viel schlimmer werden. Die Politik hat längst erkannt, dass Schwarzmalerei umso mehr Aufmerksamkeit generiert, je düsterer und krasser sie formuliert ist. Verwirrung, Verunsicherung, Streit und Spaltung durch die ganze Gesellschaft sind die fatalen Folgen.

Eine besondere Rolle an der ganzen Entwicklung spielt dabei das Prinzip der falschen Ausgewogenheit (engl. false balance). Medien sind stets um eine ausgewogene Berichterstattung bemüht und versuchen unterschiedliche Meinungen gleichwertig darzustellen. Dieser Ansatz ist im Kontext der Wissenschaft aber nicht praktikabel. Wissenschaftliche Meinungen, die auf Forschungsergebnisse basieren und bei denen in der Fachwelt aufgrund der Belege eine grosse Übereinstimmung herrscht, dürfen nicht gleich gewichtet werden, wie gegenteilige Behauptungen, die rein ideologisch gefärbt sind.

Eine falsche Ausgewogenheit in der wissenschaftlichen Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass diese Themen umstritten sind, obwohl die Faktenlage eindeutig ist. Beispiele hierfür sind die Tabakindustrie, die über lange Zeit die Gesundheitsgefahren des Rauchens herunterspielte, oder das Vorgehen der fossilen Energiebranche zum Kleinreden des menschenverursachten Klimawandels. Ebenso nutzen aktuell fanatische Impfgegner ähnliche Strategien der false balance.

Die fatalen Folgen wurden bereits genannt: Verwirrung, Verunsicherung, Spaltung. Wenn wir in unseren Gedanken immer mehr in eine dunkle Welt düsterer Zukunftsszenarien eintauchen, verlieren wir nur allzu rasch Hoffnung und Lebensmut.

Was können wir tun, damit wir in all den verwirrenden und widersprüchlichen Aussagen nicht resignieren? In der Krise gibt es stets Menschen, die zurück sehen und dann stets wissen, was man hätte besser machen können. Es gibt die Menschen, die voraus schauen und sich von allen Problemen und Schwierigkeiten entmutigen lassen. Es gibt aber auch noch den Blick nach oben, der Hoffnung und Zuversicht vermittelt. Eine vorbildliche Persönlichkeit in diesem Sinne ist für mich Alt-Nationalrat Franz Steinegger. Für seine verschiedenen wertvollen Einsätze in manchen Krisensituationen – von der Bewältigung von Unwetterkatastrophen bis zur Rettung der Landesausstellung – erhielt er den als Kompliment gedachten Beinamen «Katastrophen-Franz». Als er vor Jahren in einem Radiointerview einmal gefragt wurde, weshalb er trotz aller Komplexität und Schwierigkeiten so zuversichtlich für unser Land sei, gab er zur Antwort: Auch wenn er die Lösung nicht konkret sehe, sage er immer: „Die Schweiz wird von der Vorsehung Gottes auch noch geleitet“.

Vorsehung – dieser Begriff erinnert mich an die Worte auf dem Rand des Fünflibers: „Dominus providebit“ – lateinisch für „Der Herr wird vorsorgen“. Solche Frauen und Männer brauchen wir jetzt – nicht nur in der Politik. Menschen, welche die Ärmel hochkrempeln, Mut machen und helfen, Perspektiven zu vermitteln, dabei aber auch bescheiden bleiben, weil sie wissen, dass wir nie alle im Griff haben können – und müssen. Es gibt noch eine höhere Instanz. Daran kann uns der Fünfliber täglich erinnern.

 

Markus Schaaf ist in der Gemeinde Zell aufgewachsen, Geschäftsführer vom ZENTRUM RÄMISMÜHLE und seit 2010 EVP Kantonsrat. Neben Vorstandstätigkeiten in karitativen Organisationen ist er auch Präsident vom Verband der Kantonspolizei Zürich.